Sitzung: 14.11.2023 Bau- und Umweltausschuss
Beschluss: Abstimmungsergebnis:
Abstimmung: Ja: 8, Nein: 1
Vorlage: 128/2023
Sachverhalt:
Das geplante Bauvorhaben liegt im
Geltungsbereich des Bebauungsplans „Südlicher Ortsrand“. Die Antragsteller
beabsichtigten die Erweiterung des Wohnhauses und die Umnutzung eines
Nebengebäudes in ein Wohngebäude.
Grundflächenzahl
Die Grundflächenzahl (GRZ) gibt an,
wieviel Quadratmeter Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig
sind. Die zulässige Grundfläche ist der Anteil des Baugrundstücks, der von
baulichen Anlagen überdeckt werden darf. Die GRZ im Geltungsbereich des
Bebauungsplans „Südlicher Ortsrand" ergibt sich aus § 17 BauNVO in der
Fassung vom 01.08.1962 bis 31.12.1963, da diese im Bebauungsplan selbst nicht
angegeben wurde. Aus diesem Grund gilt die damalige Höchstgrenze für
Mischgebiete (MI) mit 0,4. Nach § 19 BauNVO in der Fassung vom 01.08.1962 bis
31.12.1963 werden die Grundflächen von Nebenanlagen nicht angerechnet.
Heutige
Berechnung (in diesem Fall nicht anwendbar):
In
der aktuellen Fassung dient § 17 BauNVO lediglich zur Entnahme von
Orientierungswerten. Der aktuelle Orientierungswert nach § 17 BauNVO liegt bei
0,6. Es werden alle Grundflächen mit einberechnet. Die GRZ darf jedoch durch
die Grundflächen von Garagen und Stellplätzen, Nebenanlagen und sonstigen
baulichen Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche um bis zu 50 %
überschritten werden; höchstens jedoch bis zu einer GRZ von 0,8.
Für dieses Bauvorhaben beträgt die GRZ
0,89 und wird demnach überschritten. Hierfür wurde eine Befreiung von den
Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt. Der Entwurfsverfasser gibt in der
Begründung an, dass die GRZ bereits durch die aktuelle Bebauung überschritten
wurde. Ebenfalls gibt er an, dass durch das Bauvorhaben „sinnvoll und
wirtschaftlich dringend erforderlicher Wohnraum geschaffen wird“. Die
Gemeindeverwaltung betrachtet den hohen Versiegelungsgrad als kritisch.
Anzahl der Vollgeschosse
Im Bebauungsplan „Südlicher Ortsrand“
ist die max. Anzahl der Vollgeschosse geregelt. Für das Baugrundstück ist „E+1“
festgesetzt. Das bedeutet, dass pro Wohnhaus ein Erdgeschoss sowie ein weiteres
Vollgeschoss errichtet werden müssen. Als Vollgeschosse gelten die Geschosse,
die vollständig über der natürlichen oder festgelegten Geländeoberfläche liegen
und über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens
2,30 m haben. Kellergeschosse sind nur dann Vollgeschosse, wenn deren
Deckenunterkante im Mittel mindestens 1,20 m höher liegt als die
natürliche oder festgelegte Geländeoberfläche.
Erweiterung Wohnhaus (Torhaus)
Das geplante Bauvorhaben soll
viergeschossig (KG, EG, OG, DG) errichtet werden. Der bestehende Gewölbekeller
sowie der Spitzboden sind laut Planunterlagen jeweils keine Vollgeschosse.
Umnutzung Nebengebäude in Wohngebäude
Das geplante Bauvorhaben soll
viergeschossig (KG, EG, DG, Spitzboden) errichtet werden. Der bestehende
Gewölbekeller sowie der Spitzboden sind laut Planunterlagen jeweils keine
Vollgeschosse. Die Anzahl der Vollgeschosse ist somit eingehalten.
Geschossflächenzahl
Die Geschossflächenzahl gibt an, wie
viele Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig
sind. Die Geschossflächenzahl (GFZ) ist im Bebauungsplan „Südlicher Ortsrand“
nicht angegeben und ergibt sich damit aus § 17 BauNVO in der Fassung vom
01.08.1962 bis 31.12.1963. Hierin ist die Höchstgrenze mit 0,7 festgesetzt.
Zum damaligen Zeitpunkt wurden alle
Geschossflächen, unabhängig davon ob die Geschosse als Vollgeschoss galten oder
nicht, mit in die GFZ einberechnet.
Heutige
Berechnung (in diesem Fall nicht anwendbar):
Der
aktuelle Orientierungswert nach § 17 BauNVO liegt bei 1,2. Es werden lediglich
die Geschossflächen der Geschosse einberechnet, welche als Vollgeschoss gelten.
Da die damalige Regelung als
Berechnungsgrundlage gilt wurden alle Geschossflächen mit in die GFZ
einberechnet. Es entsteht dadurch eine GFZ von 1,48. Hierfür wurde eine
Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt. Der
Entwurfsverfasser gibt in der Begründung an, dass die GFZ bereits durch die
aktuelle Bebauung überschritten wurde. Ebenfalls gibt er an, dass durch das
Bauvorhaben „sinnvoll und wirtschaftlich dringend erforderlicher Wohnraum
geschaffen wird“.
Überbaubare Grundstücksfläche
Baugrenzen dürfen von Gebäuden und
Gebäudeteilen grundsätzlich nicht überschritten werden. Ist
eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden.
Die vorhandenen Baugrenzen wurden
eingehalten. Die vorhandene Baulinie soll durch das Torhaus um ca. 23,25 m²
(laut Planangabe ca. 7,75 m auf 3,00 m) überschritten werden.
Hierfür wurde eine Befreiung von den
Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt. Der Antrag wurde damit begründet,
dass das bestehende Torhaus zum Waldweg bereits 3,00 m über der
festgelegten Baulinie heraussteht. Dieses Torhaus wird nun erweitert und in den
oberen Geschossen einer Wohnnutzung zugeordnet. Die Gemeindeverwaltung sieht
keine Probleme in der Erteilung dieser Befreiung.
Abstandsflächen
Vor den Außenwänden von Gebäuden sind
Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Art. 6 Abs. 1 Satz 1
BayBO). Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich nach der Wandhöhe; sie wird
senkrecht zur Wand gemessen. Die Höhe von Dächern mit einer Neigung von bis
einschließlich 70 Grad wird zu einem Drittel der Wandhöhe, von Dächern mit
einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzugerechnet. Dies
ergibt das Maß „H“. Die Tiefe der auf dem Grundstück selbst liegen.
Eine Ausnahme hiervon ist in Art. 6 Abs.
2 Satz 2 BayBO festgelegt. Demnach dürfen Abstandsflächen auch auf öffentlichem
Verkehrsflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte.
In Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO ist
geregelt, dass sich Abstandsflächen ganz oder teilweise auf anderen
Grundstücken erstrecken dürfen, wenn der benachbarte Grundstückseigentümer
gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schriftlich zustimmt (sog.
Abstandsflächenübernahme). Diese Zustimmung gilt auch für und gegen seine
Rechtsnachfolger.
Die südliche Abstandsfläche der
geplanten Torhauserweiterung liegt nicht auf dem Grundstück selbst sondern auf
dem angrenzenden Grundstück (Waldweg 3, Fl.Nr. 11300/1). Hierfür liegt eine
Abstandsflächenübernahme vor.
Dachneigung
Die Dachneigung darf laut Bebauungsplan
zwischen 25° und 35° betragen. Das Bauvorhaben ist mit einer Dachneigung von
45° geplant (sowohl die Torhauserweiterung als auch das ehemalige Nebengebäude,
welches zum Wohngebäude umgewandelt werden soll).
Hierfür wurde eine Befreiung von den
Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt. Der Antrag wurde damit begründet,
dass die bestehenden Dachneigungen derzeit bereits 45° betragen und die
Dachneigungen damit lediglich beibehalten werden. Zwar besteht, aufgrund der
Änderungen der jeweiligen Dächer, kein Bestandsschutz, dennoch sieht die
Gemeindeverwaltung keine Probleme in der Erteilung dieser Befreiung
Gauben
Im Geltungsbereich des Bebauungsplans
„Südlicher Ortsrand“ sind stehende Einzelgauben ab einer Dachneigung von 30°
zulässig. Die maximale Breite der einzelnen Gaube darf 2,50 m nicht
überschreiten. Die Gaubenlänge darf insgesamt höchstens 1/3 der Dachlänge betragen.
Diese Festsetzungen werden eingehalten.
Stellplätze
Auf dem Grundstück werden insgesamt 6
Stellplätze errichtet.
Notwendig sind laut der Satzung über die
Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge je Wohnung mit einer Fläche von
über 50 m² 2 Stellplätze (§ 3 Nr. 1 Buchstabe a) und damit insgesamt 6
Stellplätze. § 3 Nr. 1 Buchstabe a der Satzung über die Herstellung von
Stellplätzen für Kraftfahrzeuge der Gemeinde Niedernberg ist damit eingehalten.
Die Berechnung der Anzahl der
Stellplätze ergibt sich wie folgt:
-
Die
Erweiterung des Torhauses bringt keine Erhöhung der benötigten Stellplätze mit
sich. Grund ist, dass durch die Erweiterung zwar weitere Wohnräume
entstehenden, diese jedoch zur bereits vorhandenen Wohneinheit des
„Hauptgebäudes“ (Wohnhaus, welches direkt an den Waldweg angrenzt) dazu gerechnet
werden. Hierdurch entsteht somit keine zusätzliche Wohneinheit. Für die
Errichtung des „Hauptgebäudes“ wurden damals keine Stellplätze verlangt; dies
hat Bestandsschutz. Durch die Erweiterung der bestehenden Wohneinheit entsteht
kein zusätzlicher Stellplatzbedarf (die ursprüngliche Wohneinheit ist bereits
> 50 m²).
-
Durch
die geplante Umnutzung des Nebengebäudes entstehen zwei Wohneinheiten > 50
m². Hierfür sind insgesamt 4 Stellplätze notwendig.
-
Auf
dem Baugrundstück besteht noch ein weiteres Bauvorhaben, welches noch nicht
umgesetzt wurde. Es handelt sich um den Umbau des Nebengebäudes, welches an der
südlichen Grundstücksgrenze liegt. Das Nebengebäude soll in ein Wohngebäude
umgewandelt werden. Die Baugenehmigung hierfür wurde am 11.11.2021 vom
Landratsamt Miltenberg ausgestellt (Aktenzeichen aus dem Baubuch der Gemeinde
Niedernberg: G/32/2021). Laut des Baugenehmigungsbescheides müssen für das Bauvorhaben
2 Stellplätze errichtet werden. Diese werden laut den Bauantragsunterlagen auf
dem Baugrundstück hergestellt. Nach Rücksprache mit dem Entwurfsverfasser soll
diese Baugenehmigung aufrechterhalten und demnach auch in Zukunft noch
umgesetzt werden.
5 der 6 Stellplätze sollen im Innenhof
errichtet werden. Der sechste Stellplatz soll im ehemaligen Nebengebäude,
angrenzend an die Großwallstädter Straße, errichtet werden. Die Zufahrt dieses
Stellplatzes würde über die Großwallstädter Straße erfolgen. Der Antragsteller
benötigt hierfür, zusätzlich zu den o. g. Befreiungen, die Genehmigung einer
Abweichung von der Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV). Es soll § 2
GaStellV (Zu- und Abfahrten 3,00 m; Stauraum 3,00 m) nicht
eingehalten werden. Über diese Abweichungen entscheidet die untere
Bauaufsichtsbehörde.
Kinderspielplatz
Gemäß Art. 7 Abs. 3 Satz 1 BayBO ist bei
der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen ein ausreichend großer
Kinderspielplatz anzulegen. Dieser wird auf dem Baugrundstück nachgewiesen.
Nachbarbeteiligung
Die benachbarten Grundstückseigentümer
haben dem Bauvorhaben zugestimmt.
Beschluss:
Der Bau- und Umweltausschuss der
Gemeinde Niedernberg erteilt zum o. g. Bauvorhaben und den damit verbundenen
Anträgen auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bzgl.
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Grundflächenzahl
(GRZ)
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Geschossflächenzahl
(GFZ)
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Dachneigung
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Überbaubare
Grundstücksfläche, Baulinie
das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 BauGB, insofern die benötigten Stellplätze für die bestehende Baugenehmigung (Aktenzeichen 51-602-B525-2021-2 v. 11.11.2021) sowie das o.g. Bauvorhaben (insgesamt 6 Stellplätze) nachgewiesen und vom Landratsamt Miltenberg anerkannt werden.